Es fällt mir immer schwer, etwas negatives über die Ukraine
zu schreiben. Ich war viele Male dort und kam jedes Mal mit durch und durch
sehr guten Erinnerungen wieder zurück. Natürlich weiß ich, dass das Land auch
Probleme hat, aber welches hat die nicht. Dennoch soll es einmal mehr um die
Schattenseiten gehen, bevor ich hoffentlich beim nächsten Mal wieder etwas
positiver ausgreifen kann!
Die EM in der Ukraine hat dem Land Hoffnung auf
internationale Anerkennung gebracht. Die Vorbereitungen auf die Unterzeichnung
eines Kooperationsabkommens zwischen ihm und der EU wurden umso intensiver
betrieben, je näher die EM rückte. Es schien fast so, als wenn die Ukraine
nicht anderes machen brauchte als eine ordentliche EM durchzuführen, um in den
Club der europäischen Länder endlich Eintritt zu erhalten. Politische Probleme
waren vergessen bis... ja bis wann eigentlich? Der Fall Julia Timoschenko beschäftigte
europäische Menschenrechtler schon lange. Wie konnte die Situation nun so
eskalieren? War es ihr Bandscheibenvorfall? Ihr Hungerstreik, mit dem sie die
Behandlung in Deutschland zu erzwingen versuchte? Oder die Bombenserie
in Dnipropetrowsk am 27. April diesen Jahres?
Es fällt schwer, einen genauen
Zeitpunkt auszumachen. Fakt ist jedoch, dass mit dem Herannahen der EM, die
Ukraine mehr und mehr einer gründlichen Begutachtung der westlichen
Öffentlichkeit standhalten muss. Und deren Urteil fällt hart aus. EM Boykott
der Politiker wird gefordert. Einige Radikale wollen sie gar ganz verlegen, um
dem Land zu zeigen, dass der Westen seinen Werten treu ist. Berichterstattungen
über den Rassismus
in Lviv oder die Rolle der Mafia bringen da das Fass zum überlaufen. Immer
hätte man es ja schon gewusst, was für ein barbarisches Land dieser
postsowjetische Landstrich sei. Julia
Timoschenko spielt dabei nur die Rolle des exemplarischen Beispiels, das
jedoch keinesfalls repräsentativ ist! Wie viele gemeinnützige Organisationen,
Bügerrechtler und politische Bewegungen gibt es in diesem Land, die alle dafür
kämpfen, dass es ihre Kinder einmal besser haben werden! Sie wollen ihr Land
verändern und tun alles, dass sie es auch schaffen. Was der Westen fordert, mal
wieder, ist eine Revolution, ein Umsturz der bestehenden Verhältnisse in eine
Richtung, die ihm gefällt. Oft genug hat er es versucht und ist fast immer
gescheitert, warum nichts gelernt wurde. Die Ukraine geht ihren Weg, der
manchmal zurück und ein anderes Mal im Galopp nach vorne führt. Die EM in
der Ukraine ist kein Willkommensgruß unter den westlichen Demokratien. Im
Gegenteil zeugt doch die Ausrichtung zusammen mit Polen unter dem Vorwand, dass
keine der beiden Staaten die Kapazitäten zur alleinigen Bewerkstelligung hat,
von einem Misstrauen der Ukraine gegenüber. Ein EM Boykott würde einen Vertrauensbruch gegenüber den stolzen
Ukrainer und Ukrainerinnen verursachen, der nur schwerlich wieder gutzumachen
wäre. Ein politischer Boykott jedoch würde von Reife zeugen, wobei man sich
fragt, ob das in einem anderen Fall etwa bei China ebenso in Erwägung gezogen
werden würde. Wahrscheinlich nicht, oder? Die Ukraine ist eben nicht China und
Julia Timoschenko keine von den vielen chinesischen Dissidentinnen.
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