Saturday, August 4, 2012

Paul Celan – Vorzeigepoet eines Lyrikfestivals oder Modeerscheinung in Czernowitz

Straßenzug in Czernowitz (Quelle: faz.net)


Paul Celan ist nicht der erste Autor mit ukrainischen Wurzeln, über den ich schreibe, denn zuvor hat Oksana Sabushko bereits einen Platz zugestanden bekommen. Ob diese Zusammenstellung nun gerechtfertigt ist oder nicht, eines haben die beiden, die eigentlich aus völlig verschiedenen Welten zu kommen scheinen, gemeinsam: Sie stammen beide aus der Ukraine. Um präziser zu sein: beide stammen aus Gegenden die durch verschiedene kulturelle Prägungen beeinflusst wurden. Bei Sabushko war es die alte Festsungsstadt Lutsk, die ihr die Heimat bot und mal der polnischen Krone, mal der ukrainischen Souveränität unterstand.
Paul Celans Herkunft ist ebenfalls im Westen des Landes zu suchen, aber letztlich weitaus südlicher zu finden. Die Gegend um die Karpaten, die weiträumig auch noch Lviv umfasst, hat mehr als jede andere Gegend die Wechsel der Geschichte, Auf- und Abstieg regionaler Großmächte und kulturelle Blüten ethnischer Gemeinschaften erlebt. Czernowitz, so die deutsche Schreibweise des heute ukrainischen Чернівці, in der historischen Bukowina, die sich von Nordrumänien über die Südwestukraine bis in den Norden Moldovas erstreckt, ist zwar keine Metropole wie Lviv geworden, kommt dem in seiner Prägung aber recht nahe. So gab es in beiden Städten polnische, ukrainische, deutsche und jüdische Gemeinden, die ihre eigenen Traditionen pflegten, ihren eigenen Religionen nachgingen und jeweils eigene architektonische Beiträge zum Bild der Städte beitrugen. So bietet ein Stadtrundgang durch Czernowitz ein Einblick in die ethnische Zusammensetzung der Region seit vielen hundert Jahren. Ein regionaler Schmelztiegel, ähnlich der Lvivs, hat sich hier herausgebildet und bis heute erhalten.
Es wundert daher nicht, dass jährlich ein internationales Poesiefestival mit dem Namen Meridian Czernowitz in der Stadt organisiert wird, über das 2010 auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung schon berichtet hat. Es ist natürlich klar, das es in dem Artikel wie auch bei dem Festival im überwiegenden Maße um Paul Celan geht. Warum eigentlich? Nun ja, einst wurde er in einem kleinen Haus in einer noch kleineren Straße in der Stadt geboren. Eine Anekdote zu Paul Celan besagt, dass über viele Jahre das falsche Haus aus Geburtsort des Dichters ausgewiesen wurde. Erst, als eines Tages eine Jugendfreund Celans den Ort besuchte, korrigierte er den Irrtum. Seither befindet sich die steinernde Tafel am Nachbarhaus des ursprünglich als Geburtshaus Celans ausgewiesenen Gebäudes. Abgesehen von dem Haus gibt es noch einige Denkmäler und natürlich Straßennamen, Cafébezeichnungen etc., die alle an den berühmten mit der Todesfuge erinnern. Bleibt dennoch die Frage: Hat die Stadt nicht mehr zu bieten als nur den einen Dichter, der dann nicht mal mehr als ukrainisch gilt?
Der Ort fasziniert durch seine städtebauliche Struktur. Eher an eine mitteleuropäische Kleinstadt erinnern die kleinen Gassen, verwinkelten Straßen und gemütlichen Plätzchen, als dass man sich in Osteuropa zu befinden scheint. Die Universität, der ehemalige Bischofssitz, ist in dieser Hinsicht ein ganz besonderes Schmuckstück. Kleiner Tipp dazu: Als Besucher des Peosiefestivals ist man den Eintritt auf das Universitätsgelände gratis, sonst kostet er normalerweise.

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