Monday, January 14, 2013

Fotografieren will gelernt sein: Die Kunst vom Kaschieren in der Lebensmittelfotografie

In den vorangegangenen Artikeln wurde deutlich, dass es wesentlich schwieriger ist, ein gutes Foto zu schießen, als man gemeinhin annimmt. Fotografieren ist eben eine Kunst, die nicht jeder beherrschen kann, wie es auch mit anderen Kunstformen der Fall ist. Wenn es jeder könnte, wäre es auch nichts besonderes mehr, ähnlich der Ölbildmalerei oder dem Komponieren von Opern. Die wahre Kunst daran ist wohl, dass i den Vordergrund zu stellen, was dem Fotografen wichtig ist und das Unwesentliche in den Hintergrund zu bringen. Fehler zu kaschieren oder aus den Blicken der Betrachter herauszuschneiden, ist dabei die Hauptherausforderung. Der richtige Fotograf komponiert sein Bild ähnlich einem Maler und entledigt sich Ungewolltem bzw. kreiert das Fehlende. Die Lebensmittelfotografie stellt hierbei ein besonderes Feld dar. Dazu aus den bisherigen Artikeln noch einmal drei Beispiele.

Kaschieren für Fortgeschrittene (Quelle: europe.chinadaily.com)
Dieses Bild aus dem Artikel über eine Ausstellung über Tee scheint eigentlich perfekt. Schon bei dem Anblick läuft dem Teeliebhaber das Wasser im Mund zusammen. Gekonnt ist dir runde Form der Tasse in den Vordergrund gesetzt. Die Gefühlte Vollmundigkeit des Tee wird somit visualisiert und harmoniert dabei mit den leichten Wellen, die in der Tasse aufgeworfen werden. Alle Nebensächliche ist unklar und tritt damit aus dem Vordergrund zurück. Die gründe Pflanze, die ebenso unklar zu sehen ist, wurde augenscheinlich nur aufgrund ihrer Farbe in das Bild aufgenommen. Der Kontrast lasst den Tee farblich intensiver erscheinen und gibt dem Betrachter das Gefühl, sich in einer angenehmen mit Pflanzen durchsetzten Umgebung zu befinden. Das Fotografieren einer Flüssigkeit gehört zur Meisterdisziplin. In diesem Falle kann der Versuch, die richtige Aufnahme hinzubekommen, zwar beliebig oft ohne großen Aufwand wiederholt werden, aber dennoch braucht es viel Übung zu erkennen, wie die erhoffte Wirkung am besten erzielt werden kann.

Lebensmittelfotografie (Quelle: blogspot.com)
Dieser mit ukrainischen Spezialitäten gedeckte Tisch dient als weiteres Beispiel. Das Kaschieren der Makel, die Lebensmittel normalerweise aufzeigen, wurde hier bis zur Perfektion getrieben. Es ist fraglich, ob die Gerichte überhaupt genießbar waren. Wahrscheinlich wurden sie, wie es Gang und Gäbe ist in der Werbefotografie, extra präpariert. So glänzen die Salate mehr als normal, indem etwa Haarspray benutzt wurde, die Zwiebeln sind besonders hoch gestapelt, weil die vielleicht aufeinander geklebt wurden. Es gibt viele weitere Tricks, die das Essen dann unnatürlich erscheinen lassen, aber nötig sind, will der Fotograf den Eindruck des Leckeren einfangen und dem Betrachter verdeutlichen.

So bitte nicht! (Quelle: blogspot.com)
Das letzte Bild zeigt eine Variante des Mansaf. Es handelt sich hier nicht um ein professionelles Bild. Daher werden im Kontrast zu den ersten beiden alle die Fehler deutlich, die man überhaupt machen kann. Nur wenigen wird dieses Bild Appetit auf dieses Gericht machen, insbesondere da man viele Hände wahrnimmt, die alle gleichzeitig in dieses Fleisch-Reis-Gemisch greifen. Das ekelt vielleicht sogar eher an. Traditionell wird Mansaf sogar mit einem gekochten Schafskopf in der Mitte serviert. Es dann noch appetitlich auf ein Foto zu bringen, kann wirklich nur ein Profi schaffen! Kaschieren ist eben auch nicht so einfach.

Bleibt zum Schluss eigentlich nur die Frage, welche Position die Lebensmittelfotografie ethisch einnimmt. Nach dem Fotografieren werden viele der Nahrungsmittel zum Beispiel weggeschmissen, weil sie einfach ungenießbar geworden sind. Ist da vertretbar? Sicher nicht. Oder ist es ethisch, Lebensmittel als Werbeobjekte zu verwenden, wenn gleichzeitig Millionen von Menschen auf unserer Erde an Hunger leiden? All das wirft Fragen auf, denen sich auch Lebensmittelfotografen konfrontiert sehen. Aber einmal mehr bleibt offen, inwiefern diese Aspekte von jedem einzelnen wahrgenommen und reflektiert werden.

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